… sind keine Zeichen, die sich missbilligend mit einer veralteten Bilder-Zeige-Technik auseinandersetzen – es handelt sich vielmehr um diese kleinen Punkte, Strichlein, Häkchen und so weiter, die manchmal lateinische Buchstaben schmücken und sie (für uns) „exotisch“ aussehen lassen.
Mit dem lateinischen Alphabet werden die meisten europäischen und noch einige andere Sprachen geschrieben. In all diesen Sprachen gibt es Laute, die nur dort vorkommen – vor allem solche, die es vermutlich im Lateinischen nicht gab. Daher hat das lateinische Alphabet auch keine Buchstaben dafür.
Deutsch, Englisch
Wenn wir in der Grundschule schreiben lernen, gehen wir ja davon aus, dass „unsere“ Buchstaben die „richtigen“ seien und überall vorkommen. Deshalb fangen wir schon an, uns zu wundern, wenn „sch“ (was ja strenggenommen drei Buchstaben sind, die aber einen Laut wiedergeben) im Englischen „sh“ geschrieben wird. Wenn man es ganz genau nimmt, werden deutsch „sch“ und Englisch „sh“ auch nicht exakt gleich ausgesprochen. Solche Unterschiede machen dann unter anderem den Akzent aus, wenn die jeweiligen Nicht-Muttersprachler sprechen.
Französisch
Wenn dann Französisch drankommt, sieht die Sache schon anders aus. Da gibt es zwei Arten von Strichlein: élève, ein kleines Dach: tête, einen waagerechten Doppelpunkt: Anaïs, und ein Häkchen: ça. Warum?
Weil sich dadurch die Aussprache ändert. é klingt wie das E in Esel, è wie das Ä in Ähre, ê genauso (warum gibt es dann für diesen Laut zwei Zeichen? Darüber schreibe ich später mal). Das ï in Anaïs besagt, dass „a i“ tatsächlich wie a und i, also getrennt ausgesprochen werden (die gleiche Funktion hat es bei einer bekannten Automarke, die ich in Deutschland schon als „Zitrön“ gehört habe ;-)). Und das Häkchen beim ç – es heißt Cédille – bedeutet, dass das c nicht wie sonst üblich k ausgesprochen wird, wenn danach ein a steht (so wie zum Beispiel in „Calais“, gesprochen „Kalä“ mit Betonung auf der zweiten Silbe). Es bedeutet nämlich stattdessen, dass die Kombination von c und a in ça wie „ßa“ ausgesprochen wird, also mit stimmlosem s.
Spanisch, Portugiesisch
Das nur als Beispiele. Fast jede Sprache, die mit dem lateinischen Alphabet geschrieben wird, hat ihre eigenen diakritischen Zeichen (Englisch übrigens nicht). Im Spanischen gibt es zum Beispiel die Tilde ~, eine kleine Welle über dem Buchstaben n wie in niño – das kennt man von dem Wetterphänomen El Niño. Im Portugiesischen gibt es die Tilde auch, aber da hat sie eine andere Funktion. Sie wird über a oder o geschrieben, so dass der Vokal sozusagen näselnd ausgesprochen wird: mão (bedeutet „Hand“ und klingt ein bisschen wie der Laut einer Katze).
Tschechisch, Dänisch, Polnisch
Für manche bekannt ist der Hatschek. Das ist die eingedeutschte Schreibweise; in der tschechischen Bezeichnung ist das Zeichen direkt drin: Háček. Kater Mikesch zum Beispiel heißt auf Tschechisch „Kocour Mikeš“.
Und vielen bekannt ist sicher der Schrägstrich wie im dänischen ø: øl für „Bier“. Im Polnischen gibt es diesen Schrägstrich auch, aber er ist durchs l und bewirkt, dass das l (heutzutage) wie das englische „w“ ausgesprochen wird. Die Älteren werden sich noch an Lech Wałęsa erinnern, mit dessen Namen die Nachrichtensprecher:innen anfangs so viele Probleme hatten. Und in dem Namen sehen wir unter dem e noch ein Häkchen, das einer Cédille ähnlich sieht, aber Ogonek heißt. Das Ogonek bewirkt, dass das e so ähnlich wie im Französischen „en“ ausgesprochen wird, also näselnd. Aber auch nur ungefähr.
Rumänisch, Türkisch
Es gibt auch Häkchen im Rumänischen und im Türkischen: ș und ş. Sie sehen fast gleich aus und werden auch praktisch gleich ausgesprochen, nämlich „sch“. Tatsächlich ist aber das rumänische Häkchen ein Komma unter dem s (übrigens auch unter dem t: ț, dann wird das t wie ts gesprochen). Das Häkchen unter dem s im Türkischen hingegen ist wie die französische Cédille, unterscheidet sich aber vom polnischen Häkchen, das andersherum offen ist. Und so weiter und so fort …
Das sind nur einige Beispiele, und sie zeigen auch, dass dasselbe Zeichen in verschiedenen Sprachen verschiedene Funktionen haben kann.
Und nochmal Deutsch
Jetzt werfen wir noch mal einen Blick aufs Deutsche. Wenn wir uns das ABC genau ansehen, merken wir, dass vier Buchstaben fehlen: ä, ö, ü und ß. Das Deutsche hat also auch diakritische Zeichen, auch wenn es uns vielleicht nicht so vorkommt. Die ersten drei tragen obendrüber zwei Punkte nebeneinander (sieht genauso aus wie ein Trema, ist aber keines – wer es genauer wissen will, lese z.B. bei Wikipedia nach). Aber ß ist ja ein einzelner Buchstabe und hat kein extra diakritisches Zeichen. Es ist nämlich eine Ligatur. Dazu aber ein andermal.
Ach ja, übrigens: der Begriff „diakritisch“ kommt aus dem Griechischen: diakritikós (διακριτικός) – zur Unterscheidung dienend; also zum Beispiel dazu da, die Länge eines Lautes oder die Betonung oder den Wechsel von k zu s anzuzeigen. Auch im Griechischen gibt es diakritische Zeichen, aber dieses Fass machen wir jetzt nicht auf, wo noch nicht mal das lateinische Fass leer geworden ist.