Bonis für den Mafiosi

„Ein Mord in Duisburg – das war bestimmt wieder ein Mafiosi!“ sagte der Mann in der S-Bahn zu seinem Nachbarn.

Ähm – nein, wenn überhaupt, war es ein Mafioso. Mafiosi treten in der Regel in mehrfacher Ausfertigung auf, vielleicht liegt es daran, dass das leicht verwechselt wird – man kann schließlich nicht erwarten, dass sich jede/r mit der Aussprache nicht-deutscher Wörter beschäftigt. Von Journalisten schon, aber die Mehrzahl der Bevölkerung ist das nun mal nicht.

Es hat aber überhaupt seine Tücken, den italienischen Plural ins Deutsche zu übertragen. Nehmen wir zum Beispiel die Zucchini. Abgesehen von der Aussprache („zuckini“, nicht „zuschini“): wie nennt man ein einzelnes Exemplar dieses Gemüses? Der Duden sagt: zucchino („besonders fachsprachlich, selten“, vermutlich weil man meistens „ein Zucchini“ oder „ein Stück“ sagen würde, wobei man ja meistens mehr als eines nimmt. Nun sagen meine italienischen Verwandten aber: Quatsch, das heißt „la zucchina“, also müsste der Plural „le zucchine“ lauten. Das funktioniert im Deutschen aber aus verschiedenen Gründen nicht. Erstens sagt das italienische Wörterbuch „zucchina s. f. (tosc. zucchino m.)“ – die maskuline Bezeichnung mit der Endung -o stammt also aus der Toskana, wohin viele Deutsche gereist sind und noch reisen. Zweitens würde die Endung -e bei „zucchine“ wie bei „Ente“ ausgesprochen, und das klänge sehr unitalienisch.

viele Zucchini in einem blauen Plastikkorb

Was gibt es noch? Spaghetti – „mir ist ein Spaghetto runtergefallen“ kann man tatsächlich sagen, jedenfalls auf Italienisch.

Und dann gibt es natürlich noch ein verwandtes Problem – die lateinischen Pluralformen. „Diese Manager kriegen immer fette Bonis“ – inhaltlich … nun ja, aber grammatikalisch? „Boni“ ist schon ein Plural, nämlich von „Bonus“ – kennt man ja von „Bonuspunkten“ und so. Das hat das Italienische vom Lateinischen fortgeführt. Aber wie ist das bei dem in der Coronazeit häufig vorkommenden Wort „Virus“? Da heißt es eben nicht „Viri“, sondern „Viren“, hat also eine deutsche Endung bekommen. Noch schwieriger ist es bei „Diskus“ – zugegebenermaßen braucht man außer als Leichtathletik-TrainerIn den Plural eher selten: „Diski“ heißt es nicht, sondern einfach „Diskusse“ oder tatsächlich „Disken“ (hat das wirklich schon mal jemand benutzt?). Und am allerblödesten wäre es bei Bussen: nein, nicht „Bi“, sondern „Busse“, also wieder eine deutsche Endung.

zwei volle Espresso-Tassen

Und zum Schluss noch mal was Italienisches, eine beliebte Frage: heißt es „due espressi“ oder was? Also, wenn man in Italien einen Espresso bestellen will: „due caffè, per favore!“ Allerdings muss man aufpassen, dass man nicht in einer deutschen Touristenhochburg bestellt; dann kann es einem passieren, dass man einen deutschen Filterkaffee serviert bekommt. Und in Deutschland kann man einfach „zwei Espresso“ bestellen.

Eine Diskussion mit dem Regisseur

Bitte die Überschrift laut vorlesen!

Wie habt ihr das Doppel-s ausgesprochen? Stimmlos (wie in Wasser) oder stimmhaft (wie in sausen)?

Im Grunde ist die Sache klar: es ist ein doppeltes s, und das signalisiert: dieses s wird stimmlos ausgesprochen. Es hat sich aber eine Unsitte eingeschlichen: immer öfter hört man auch von Journalisten „Diskusion“; auch „Regisör“ ist mir schon mehrfach ins Ohr gefallen (gibt es für „ins Auge fallen“ eigentlich einen entsprechenden akustischen Ausdruck?). Außerdem „agresiv“ (das macht einen geradezu aggressiv, das zu hören) oder, inzwischen aus der Zeit gefallen, „Kasette“ (klingt wie „kleines Haus“ auf Italienisch: „casetta“ – soll aber „Kassette“: „kleiner Kasten“ u.a. bedeuten).

Warum sagt man das? Man sagt ja auch nicht „Waser“ (mit kurzem a) oder „fresen“ (mit kurzem e). Bei Regisseur kann ich noch argumentieren, dass drumherum lauter stimmhafte Konsonanten sind: zweimal r und ein stimmhaftes sch, das es im (Hoch)Deutschen ja gar nicht gibt. Aber bei Diskussion? Ein stimmloses s und ein k davor – daran kann es also auch nicht liegen. Allerdings sind beides Fremdwörter; Wasser und fressen hingegen nicht.

Vielleicht isses das? Und hier würde ich das Doppel-S auch stimmhaft aussprechen: ises mit kurzem i. Das ist allerdings kein richtiges Hochdeutsch mehr, sondern Umgangssprache. Und in den Dialekten ist sowieso alles Mögliche erlaubt. Im (Rhein)Hessischen zum Beispiel sagt man eben nicht „hessisch“, sondern „hesisch“ – das lässt sich schriftlich gar nicht wiedergeben, weil das e sonst lang ausgesprochen würde: „heesisch“. Oder die Meenzer Fassenacht – sss, sss, sss – so wie eine Mücke sirrt …

Mücke: sssss (stimmhaft), Schlange: sssss (stimmlos)

Im Englischen gibt es da auch Fallstricke, zum Beispiel werden gern die Wörter „desert“ und „dessert“ durcheinandergeworfen. Da wird in beiden Fällen das „s“ stimmhaft ausgesprochen; der Unterschied liegt in der Betonung: „desert“ mit Betonung auf der ersten Silbe bedeutet „Wüste“ oder „verlassen“, „dessert“, auf der zweiten Silbe betont, „Nachtisch“ (was im Deutschen fast genauso ausgesprochen wird, aber mit stimmlosem s (wie auch im Französischen, wo das Wort herkommt). Und so weiter …

Der umgekehrte Fall ist mir übrigens auch schon untergekommen: „Provission“ statt „Provision“ – vielleicht in Analogie zu „Profession“? Rätsel über Rätsel. Und es gibt ja auch den gemeinen Spruch: „Fremdwörter sind Glücksache …“, aber da sitzt man schnell mal im Glashaus 🙂

Nachtrag: Da man mit den vielen verschiedenen „s“ in diesem Text leicht durcheinanderkommen kann, gibt es hier nochmal eine akustische Version: