Barrierefreiheit für alle – auch in der Sprache

Barrierefreiheitsstärkungsgesetz – zehnmal geübt, das Wort auszusprechen, und schon kann man es einigermaßen fehlerfrei über die Lippen bringen.

Wie könnte man es aber anders formulieren? Wie wäre es mit „Gesetz zur Stärkung der Barrierefreiheit“? Denn wenn man es genau besieht, ist das lange Kompositum (das zusammengesetzte Wort) ja selbst nicht barrierefrei. Und bei der Barrierefreiheit geht es im Internet nicht nur um technische oder Design-Aspekte, sondern auch um Sprache.

Um Sprache verständlicher zu machen, gibt und gab es diverse Initiativen. Herausgebildet hat sich das Konzept der „Leichten Sprache“ und das der „Einfachen Sprache“. Leicht und einfach – das bedeutet in der Umgangssprache mehr oder weniger dasselbe – das ist doch total einfach oder leicht!

Leichte Sprache

In der Leseforschung dagegen sind das zwei verschiedene Konzepte. „Leichte Sprache“ ist für Menschen mit Lernschwierigkeiten da, damit auch sie Texte lesen und verstehen können. Für die Leichte Sprache gibt es seit fast zwanzig Jahren feste Regeln, die immer wieder aktualisiert werden. Dazu gehört zum Beispiel, dass kein Konjunktiv verwendet wird – und allein in diesem Satz gibt es drei Probleme: einen Nebensatz (…, dass …), ein Fremdwort (Konjunktiv), und Passiv (verwendet wird). All das soll vermieden werden – also: das alles soll man nicht machen. Wer mehr wissen will: hier ist der Link zu den Regeln des Netzwerks Leichte Sprache e.V.

Wichtig ist bei der Leichten Sprache vor allem auch: die Texte müssen von Prüfern und Prüferinnen – nun ja – geprüft werden (schon wieder ein Passiv), also von Mitgliedern der Zielgruppen. Nur sie können letzten Endes beurteilen, ob der Text für sie wirklich gut verständlich ist.

Einfache Sprache dagegen ist schwieriger als Leichte Sprache, aber leichter als Schwere Sprache. Alles klar?

Einfache Sprache

Einfache Sprache kommt eigentlich allen zugute, auch wenn sie zunächst vielleicht eher Leute anspricht, die nicht so gut lesen können, weil sie es nie richtig gelernt haben oder eine andere Muttersprache haben. Aber wenn ihr euch an einen beliebigen Brief („Schreiben“) von einer Behörde (z.B. dem „Amt für Wohnungswesen“, also dem Wohnungsamt) erinnert, wart ihr bestimmt auch schon von der „Behördensprache“ genervt. Deshalb gab es auch schon in der Nullerjahren Versuche, solche Texte in Einfache Sprache zu übersetzen, z.B. bei der Forschungsstelle „Verständliche Sprache“ an der Ruhr-Universität Bochum.

Was ist nun der Unterschied zu Leichter Sprache? Zuallererst: es gibt keine festen Regeln wie bei der Leichten Sprache. Die Sätze können durchaus auch (etwas) länger sein, aber nach Möglichkeit sollten keine Fremdwörter benutzt werden. Hier findet ihr ein Beispiel für die Unterschiede.

Nicht nur Behördensprache

Einfache Sprache hat aber nicht nur praktischen Wert. Manche Menschen möchten auch Geschichten lesen, die nicht schwierig formuliert sind (Paradebeispiele für komplizierte Sätze sind die Romane und Erzählungen von Thomas Mann). Und zwar Geschichten für Erwachsene, nicht Kinderbücher. Auch damit hat sich jemand beschäftigt, nämlich der Leiter des Frankfurter Literaturhauses, Hauke Hückstädt. Er hat zwei Bücher mit Geschichten in Einfacher Sprache herausgegeben, geschrieben von bekannten Schriftsteller:innen.

Leichte Sprache ist also nicht nur für eine bestimmte Zielgruppe gedacht, sondern um sie zu schreiben, sollte man sich auch darin ausbilden lassen. Einfache Sprache ist aber etwas, woran sich alle versuchen können, die Spaß am Schreiben haben – und Interesse daran, dass möglichst viele Menschen ihre Texte auch lesen.

Wenn du mehr wissen willst – Kritisches, DGS, Lustiges

Da dieser Text das Thema nur anreißt, hier noch einige Links:

zu Kritik an Leichter Sprache – nicht alle Menschen finden sie gut:
https://www.uni-hildesheim.de/fr/leichtesprache/news/artikel/leichte-spra-4/

zu Gebärdensprache (DGS) – ein ganz anderer Sprachaspekt:
https://www.gesetze-im-internet.de/bitv_2_0/BJNR184300011.html

Es gibt noch ganz andere Namen für Gesetze. Ein besonders schönes Beispiel ist das
„Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz“, das einst als das längste Wort im Deutschen galt (inzwischen gibt es das Gesetz nicht mehr, aber das Wort ist ja in der Welt – siehe z.B. das Blog von Anatol Stefanowitsch.