Der Rest ist Schweigen

„Schweigen“ – ein Wort, das nur noch selten benutzt wird, und in gesprochener Sprache schon gar nicht. Dabei ist es so besonders.

Ich weiß noch, wie ich es kennengelernt habe. „,Du bist aber, wenn mich nicht alles täuscht, auf dem besten Weg dazu‘, sagte Abraxas. Dann schwieg er. Die kleine Hexe schwieg auch.“ „Papi, was bedeutet ‚schwieg‘“? „Nichts sagen. Schweigen.“

So lernte ich nebenbei noch etwas über starke (bzw. unregelmäßige) Verben, ohne den Begriff zu kennen. Und nun? Gibt es noch andere Verben, die genauso konjugiert werden? „Schweigen, schwieg, geschwiegen“ – „geigen, gieg, gegiegen“ oder „neigen, nieg, geniegen“ – nein, verflixt, da wird die Vergangenheit einfach mit „-te“ bzw. „-t“ am Ende gebildet, es sind also schwache (regelmäßige) Verben. Aber halt: „steigen, stieg, gestiegen“ – da passt es wieder.  Warum mal so, mal so? Warum – das ist eine Frage, die mir meine Schülerinnen immer wieder stellen und die in der Sprache oft nicht leicht zu beantworten ist. Meist sage ich einfach: „Das hat mit der Geschichte der Sprache zu tun“, und damit geben sie sich zufrieden und damit, dass sie es halt auswendig lernen müssen.

Aber es gibt ja noch „Feigen“ – ach nein, das ist ja der Plural von „Feige“, einem Substantiv. Und „Reigen“ ist auch kein Verb.

Das Beste aber zum Schluss: „zeigen“! „Zeigen, zieg, geziegen“ – habt ihr da nicht auch gleich gehörnte Weidetiere vor Augen und ihr Meckern in den Ohren? Wäre das nicht viel schöner so als „zeigte, gezeigt“?

Um auf die kleine Hexe zurückzukommen: „.. sagte Abraxas. Dann schwieg er. Die kleine Hexe schwieg auch.“  Die vielen x-e! Woher kommen die eigentlich? Im Niederländischen schreibt man „heks“, und so wird es ja auch ausgesprochen. Aber das ist ein anderes Thema.

So, genug geschrieben. Jetzt wird geschwiegen.

SVSV (Starke Verben, schwache Verben)

Ein Klassiker der grammatischen Unsicherheit ist das Verb hängen: „Der Besucher hing seinen Mantel an den Garderobenhaken“. Das liegt daran, dass es hängen in zwei Varianten gibt: als sogenanntes schwaches oder starkes Verb, beziehungsweise als regelmäßiges oder unregelmäßiges Verb. Regelmäßig (schwach) sind Verben, die nach einer festen Regel konjugiert werden. Der Verbstamm bleibt gleich und hat immer dieselben Vorsilben oder Endungen: zum Beispiel wohnen, wohnte, gewohnt oder lachen, lachte, gelacht und so weiter. Die unregelmäßigen (starken) Verben sind alle anderen – es sind zwar weniger, aber sie kommen oft vor: essen, aß, gegessen, trinken, trank, getrunken und so weiter.

Nun gibt es einige Verben, die sowohl stark als auch schwach sein können. Dazu gehört hängen. In der schwachen Variante heißt es also: hängen, hängte, gehängt – und es hat immer ein direktes Objekt, also etwas, das gehängt wird, wie der Mantel in dem Beispiel oben. Es muss also heißen: „Der Besucher hängte seinen Mantel an den Garderobenhaken“. Oder: „Die Kuratorin hängte ein Bild an die Wand“. (Verben, die so ein Objekt haben, nennt man übrigens transitiv; woher dieses Wort kommt, erkläre ich vielleicht ein andermal.) In der starken Variante heißt es dagegen: hängen, hing, gehangen – und es hat kein Objekt (ist also intransitiv): „Der Mantel hing am Garderobenhaken“; „Das Bild hing an der Wand“ (wenn etwas mit an, in und so weiter anfängt, ist es nämlich kein Objekt, sondern eine adverbiale Bestimmung – Wo ist der Mantel? Wo ist das Bild?).

Erschrecken ist auch so ein Beispiel: „Der große Hund hat das Baby erschrocken“. Oh weh. Auch hier gibt es zwei Varianten. Die schwache ist erschrecken, erschreckte, erschreckt: „Der große Hund hat das Baby erschreckt“ (mit dem Objekt „das Baby“ – wer hat wen erschreckt?). Und das hatte zur Folge, dass das Baby erschrocken ist (kein Objekt – hier ist das Baby ja das Subjekt, also das, das etwas „tut“). Im Präteritum heißt es entsprechend: „Der große Hund erschreckte das Baby – das Baby erschrak“; die starke Variante zusammengefasst also erschrecken, erschrak, erschrocken.

Und wie ist es mit wiegen? Erstmal regelmäßig (schwach): wiegen, wiegte, gewiegt; das ist immer transitiv. „Der Vater wiegte das Baby in seinen Armen“ oder reflexiv (mit „sich“): „Die Schilfhalme wiegten sich im Wind“.

Etwas komplizierter wird es bei der starken (unregelmäßigen) Variante, denn bis jetzt war es ja alles ganz einfach: wiegen, wog, gewogen. Das kann nämlich intransitiv oder transitiv sein. „Ein Elefant wiegt einige Tonnen“, das heißt, ist einige Tonnen schwer; hier ist das Verb also intransitiv. „Die Tierärztin hat den Elefanten gewogen“ (naja, nicht auf die Art, wie man eine Katze wiegt, indem man sich selbst einmal mit und einmal ohne Katze auf die Waage stellt, sondern mit einer extra Elefantenwaage). Hier ist das Verb transitiv: Wer hat wen gewogen?

Daran kann man gut erkennen, dass die verschiedenen Formen auch verschiedene Bedeutungen haben: „Der Vater wiegte das Baby, bis es schlief“ – „Die Mutter wog das Baby, um zu sehen, ob es zugenommen hatte“.

Übrigens kann man auch Kräuter wiegen, nämlich mit einem Wiegemesser. Das ist die gleiche Bewegung, hin und her.

Und zum Nachlesen, wenn ihr tiefer einsteigen wollt, hier ein interessanter Link: Starke Verben – Variation zwischen schwachen und starken Formen