Zusammen oder getrennt?

Diese Frage bekommt man im Restaurant immer wieder gestellt. Auch hier ist die Antwort nicht immer einfach und kann zu interkulturellem Erstaunen führen: „Die haben die ganze Zeit geturtelt, und jetzt zahlen sie getrennt?“ fragte mich mal ein armenischer Freund ungläubig.

Hier soll es aber um die Schreibung gehen: wann schreibt man Wortzusammensetzungen zusammen und wann getrennt? Vor der Rechtschreibreform war das einfach, nach der ersten Reform folgte die große Verunsicherung, und nach der Reform der Reform ist das Ergebnis ein umfangreiches Regelwerk, das ein Studium ähnlich der Jurisprudenz eigentlich zwingend voraussetzt (siehe Duden Regel D47 – D66 mit vielen Unterpunkten und Ausnahmen).

Eine Faustregel kann man schon mal anwenden: wenn der erste Bestandteil betont wird, wird zusammengeschrieben. „Alleinstehend“ zum Beispiel wird nach der zweiten Reform vernünftigerweise jetzt wieder zusammengeschrieben – wie eine Freundin damals witzelte: „eine allein stehende Frau ist eine Frau, die nicht umfällt, wenn man sie loslässt“. Wie ihr seht: auch „vernünftigerweise“ wird dankenswerterweise nicht mehr „vernünftiger Weise“ geschrieben. Und „zusammenschreiben“ (eine Zusammenfassung schreiben) bedeutet etwas anderes als „lasst uns ein Theaterstück zusammen schreiben“ (Betonung auf „schreiben“). Oder, schwieriger: „wiedersehen“ oder „wieder sehen“? Meistens wird es ja zusammengeschrieben (!) (so wie bei „Auf Wiedersehen“, wo das Verb zu einem Nomen wird): „Können wir uns wiedersehen?“ Aber seltener braucht man es auch frei nach Amazing Grace: „Ich war blind, aber jetzt kann ich wieder sehen“. Alles weitere (Weitere? ;-)) könnt ihr im Duden nachlesen (siehe oben).

Es gibt übrigens ein schönes Lied zum Thema „Zusammen oder getrennt“ von Corinne Douarre, womit wir wieder den Bogen zum Beginn des Textes geschlagen hätten …

Thema heute: Thesaurus

Eigentlich sollte dies hier eine Kurzfolge für unseren Podcast werden, aber dafür hat es sich dann doch nicht geeignet. Die Struktur mit den Fragen ist aber geblieben.

Worum geht es?

Jedenfalls nicht um ein urzeitliches Riesentier, das ein englisches Heißgetränk zu sich nimmt – Tee-Saurus. Nein! Das Wort hat verschiedene Bedeutungen, die allerdings ähnlich sind – für unsere Zwecke geht es, in der Duden-Definition, um ein „allgemeinsprachliches Wörterbuch der sinn- und sachverwandten Wörter“.

Ein Beispiel

Ich schreibe einen Text über das Substantiv „Thesaurus“. Aber ich will mich nicht dauernd wiederholen, also schlage ich in demselben nach und finde: „Lehrwerk, Schulbuch, Fibel, Fachbuch, Sachbuch, Vademecum, Abriss, Handreichung, Repetitorium, Katechismus, Glossar, Leitfaden, Handbuch, Unterrichtswerk, Übungsbuch, Kompendium, Lexikon, Ratgeber, …, Wörterbuch, Enzyklopädie, Nachschlagewerk, …, Konversationslexikon.“ Man merkt: das sind nicht nur Synonyme, sondern eben auch sinnverwandte Wörter, und dann probiert man es mit Ersetzen. Das kann sehr lustig sein, wenn der Zusammenhang überhaupt nicht passt, oder auch nervtötend, wenn gar nichts passen will. Manchmal klappt es dann auch, aber manchmal muss man auch den ganzen Satz umformulieren.

Zum Beispiel: Dr. Müller-Ebenholz hatte alles versucht. Nun gab er sein Vorhaben auf. Das Wort „aufgeben“ finde ich aber langweilig, also setze ich ein: Nun ließ er von seinem Vorhaben ab. Klingt, als habe sich ein Hund hineinverbissen. Oder: Nun trug er es zu Grabe. Zu dramatisch. Nun pfiff er auf dem letzten Loch. Zu komisch. Nun verzichtete er … schon besser. Und so weiter, bis es rund klingt.

Wie packe ich es an?

Anpacken – das ist das richtige Wort! Es ist ein großes Vergnügen, einen dicken Thesaurus in die Hand zu nehmen und darin herumzublättern, auf der Suche nach dem passenden Ausdruck. Für kreative Prokrastinierer ist es ideal: man findet Wörter, nach denen man gar nicht gesucht hat, die man einfach nur schön findet oder um die herum man eine Geschichte bauen kann, woran man ursprünglich überhaupt nicht gedacht hatte. Seit Urzeiten arbeite ich mit „Sag es treffender“ von A.M.Textor, inzwischen in der xten Auflage (Foto von einer älteren Ausgabe 1968 (Neuauflage 1974)), aber natürlich gibt es auch den 8. Duden-Band, und Hinweise auf andere Synonymwörterbücher sind willkommen.

Buchcover "Sag es treffender"

Natürlich kann man auch Thesauri im Internet bemühen; das ist vermutlich die effektivere Art, mit Synonymen zu arbeiten. Es geht jedenfalls in der Regel schneller. Ein Beispiel dafür ist der Open Thesaurus. Man muss sich nur dessen bewusst sein, dass, wenn jeder mitmachen kann, das zwar demokratisch ist, es aber keine Garantie für die Richtigkeit gibt wie bei einem redigierten Lexikon. Das heißt, man ist in stärkerem Maße auf sein eigenes Sprachgefühl angewiesen. Im Grunde kommt es darauf an, was man gerade möchte und wieviel Zeit man hat bzw. sich dafür nehmen will.

Fazit

Das Beste aus beiden Welten, der realen und der virtuellen, findet sich im Bücherregal und im Computer. Sucht es euch aus und genießt es, dass ihr die Möglichkeit habt, zu wählen, euch aber nicht entscheiden zu müssen. Beim Schreiben muss man sich am Ende natürlich doch entscheiden, aber dann hat man schon eine Menge durchprobiert und Spaß dabei gehabt.

Trotzdem – trotzdem! Obwohl …

In diesem Beitrag werden wundervolle Ausdrücke wie „konzessive Subjunktion“ oder „Konjunktionaladverb“ vorkommen, mit denen man bei Gelegenheit gut angeben kann.

Der Anlass dazu war ein Text in einem Schreibkurs, in dem sinngemäß stand: „Trotzdem er zu spät gekommen war, tat er so, als sei nichts gewesen.“ Als die Sprecherin diesen Text vorlas, betonte sie „trotzdem“ auf der zweiten Silbe. Daraufhin krümmte sich die Hälfte der Zuhörer:innen innerlich (und teils äußerlich erkennbar); die andere Hälfte dagegen wunderte sich über die eine Hälfte.

„Trotzdem“ verwendete die Autorin in diesem Fall als Konjunktion. „Konjunktion“ kommt von lateinisch „con“ (mit) und „iungere“ (verbinden), also: miteinander verbinden. Genauer gesagt, gebrauchte sie das Wort als Subjunktion („sub“ heißt „unter“, also „unterhalb verbinden“; das heißt, es leitet einen Nebensatz ein). Und ganz genau gesagt, als konzessive Subjunktion. „Konzessiv“ heißt: ein Zugeständnis machend (lateinisch „concedere“ zugestehen – es gibt übrigens auch das Verb „konzedieren“ mit derselben Bedeutung). Wo waren wir? Ach ja, „trotzdem“ mit Betonung auf „dem“.

Warum war das einigen Zuhörer:innen so unangenehm? Weil es in der Bedeutung von „obwohl“ gebraucht wurde, für das es viele schöne Synonyme gibt, ohne dass man „trotzdem“ verwenden müsste: obschon, obgleich, obzwar, wenngleich, wiewohl – wiewohl man zugeben muss, dass außer „obwohl“ keines dieser Wörter noch gebräuchlich ist, schon gar nicht in der gesprochenen Sprache. Statt dessen benutzen manche eben „trotzdem“, obwohl (!) das nicht standardsprachlich ist (Details dazu beim Atlas der deutschen Alltagssprache).

„Trotzdem“ gibt es natürlich trotzdem – aber, mit der Betonung auf der ersten Silbe, als Adverb („ad“ (bei), also „beim Verb“). Genauer gesagt, als Konjunktionaladverb, das heißt, als ein Adverb, das auch als Konjunktion fungieren kann (fungieren hat nichts mit Pilzen zu tun (Scherz für Italienisch Sprechende), sondern kommt von „Funktion“). Zum Beispiel: „Er kam zu spät. Trotzdem tat er, als sei nichts gewesen.“ Oder: „Dieser Text ist grottenlangweilig. Trotzdem lese ich ihn zu Ende.“

Der die das – Teil 2: Der Spezialfall

Dass Artikel (in der Schule „Begleiter“ genannt) soviel Stoff hergeben würden, hätte ich gar nicht gedacht. Die Ausgangsfrage war aus (gar nicht mehr so) aktuellem Anlass: heißt es der oder das Virus? Eine schöne Erklärung gibt dazu der MDR.

Nachdem ich jedoch gefragt wurde, ob es auch Wörter gibt, die zwar gleich klingen, aber mit verschiedenen Artikeln auch verschiedene Bedeutungen haben, habe ich mich nochmal hingesetzt. (Dazu übrigens noch einen Fachbegriff: weil sie gleich klingen, heißen sie „homophon“ – praktisch wörtlich aus dem Altgriechischen übersetzt.)

Tatsächlich gibt es gar nicht so wenige solcher Wörter:

Moment: der Moment (in der Zeit), das Moment (zum Beispiel in der Physik das Drehmoment)

Schild: das Schild (an der Straße, am Laden …), der Schild (bei Römern wie Caligula minus, Wikingern wie Hägar usw.)

Verdienst: der Verdienst (Geld: Lohn, Gehalt, Honorar), das Verdienst (als (moralische) Leistung)

Leiter: die Leiter, unter der schwarze Katzen hindurchhuschen, der Leiter (z.B. einer Einrichtung, bei Jugendlichen nennt sich die Vorstufe begeisternderweise „Halbleiter“ – da freut sich der Physiker)

Heide: auch schön! Die Heide (Stichworte Lüneburg, Landschaft, Erika), der Heide (heute eher selten gebraucht; laut Kluges Etymologischem Wörterbuch aus dem Griechischen über das Gotische ins Deutsche gekommen)

Balg: der Balg (abgezogene Tierhaut, in städtischen Zusammenhängen eher ungebräuchlich), das Balg (in städtischem Zusammenhang eher gebräuchlich: ungezogenes Kind, vergleiche auch das Blag, die Blagen – möglicherweise durch Metathese entstanden (Vertauschen zweier Laute), das ist aber nur eine Vermutung)

Die Reihe könnte man noch fortsetzen, ich will sie aber beschließen mit dem Hinweis, dass es auch Wörter gibt, die zwar verschiedene Artikel haben, aber trotzdem das Gleiche bedeuten: zum Beispiel Teil, Knäuel, Bonbon und natürlich der Ausgangspunkt dieser Erörterung: Virus.