Begründungen

Seit Jahren schon frage ich mich, von woher eigentlich der Ausdruck „von daher“ kommt. Denn man kann beides ohne weiteres ohne „von“ verwenden: woher kommt dieser Ausdruck? Daher verstehe ich nicht, warum man eine zusätzliche Silbe braucht – sprachökonomisch ist das sogar kontraproduktiv. Oder, einfacher gesagt: zwei Silben kann man schneller aussprechen als drei; das heißt, man braucht mehr Zeit, um dasselbe zu sagen.

OK, „daher“ im Sinne von „deshalb“ ist eine andere Stilbebene; in der Umgangssprache benutzt das niemand. Aber „deshalb“ ist doch ein prima Wort und hat eine Silbe weniger als „von daher“, ist also kürzer und daher sprachökonomisch sinnvoller. Außerdem gibt es noch viele andere Ausdrücke, die allerdings allesamt eher schriftlich gebraucht werden: zum Beispiel „aus diesem Grund“, „demzufolge“, „aufgrund dessen“, aber auch „deswegen“ (was im Dialekt gern zu etwas wie „desdewegen“ – hessisch und sächsisch mit verschiedener Aussprache – wird). Der Duden übrigens führt den Ausdruck interessanterweise unter „Wendungen, Redensarten, Sprichwörter“ auf.

Aber „von daher“? Das habe ich sogar eine akademisch gebildete Kollegin sagen hören, und auch im Duden steht es schon drin. Oder sogar „von dem her“? Gern von Fußballern benutzt, warum auch immer. Warum nicht gleich „von demdewegen“? Dann wäre der Genitiv („des“) nämlich nicht mehr drin – vielleicht ist das der tiefere Grund. Dazu kann man nur noch sagen: „Rettet dem Genitiv!“

Bonis für den Mafiosi

„Ein Mord in Duisburg – das war bestimmt wieder ein Mafiosi!“ sagte der Mann in der S-Bahn zu seinem Nachbarn.

Ähm – nein, wenn überhaupt, war es ein Mafioso. Mafiosi treten in der Regel in mehrfacher Ausfertigung auf, vielleicht liegt es daran, dass das leicht verwechselt wird – man kann schließlich nicht erwarten, dass sich jede/r mit der Aussprache nicht-deutscher Wörter beschäftigt. Von Journalisten schon, aber die Mehrzahl der Bevölkerung ist das nun mal nicht.

Es hat aber überhaupt seine Tücken, den italienischen Plural ins Deutsche zu übertragen. Nehmen wir zum Beispiel die Zucchini. Abgesehen von der Aussprache („zuckini“, nicht „zuschini“): wie nennt man ein einzelnes Exemplar dieses Gemüses? Der Duden sagt: zucchino („besonders fachsprachlich, selten“, vermutlich weil man meistens „ein Zucchini“ oder „ein Stück“ sagen würde, wobei man ja meistens mehr als eines nimmt. Nun sagen meine italienischen Verwandten aber: Quatsch, das heißt „la zucchina“, also müsste der Plural „le zucchine“ lauten. Das funktioniert im Deutschen aber aus verschiedenen Gründen nicht. Erstens sagt das italienische Wörterbuch „zucchina s. f. (tosc. zucchino m.)“ – die maskuline Bezeichnung mit der Endung -o stammt also aus der Toskana, wohin viele Deutsche gereist sind und noch reisen. Zweitens würde die Endung -e bei „zucchine“ wie bei „Ente“ ausgesprochen, und das klänge sehr unitalienisch.

viele Zucchini in einem blauen Plastikkorb

Was gibt es noch? Spaghetti – „mir ist ein Spaghetto runtergefallen“ kann man tatsächlich sagen, jedenfalls auf Italienisch.

Und dann gibt es natürlich noch ein verwandtes Problem – die lateinischen Pluralformen. „Diese Manager kriegen immer fette Bonis“ – inhaltlich … nun ja, aber grammatikalisch? „Boni“ ist schon ein Plural, nämlich von „Bonus“ – kennt man ja von „Bonuspunkten“ und so. Das hat das Italienische vom Lateinischen fortgeführt. Aber wie ist das bei dem in der Coronazeit häufig vorkommenden Wort „Virus“? Da heißt es eben nicht „Viri“, sondern „Viren“, hat also eine deutsche Endung bekommen. Noch schwieriger ist es bei „Diskus“ – zugegebenermaßen braucht man außer als Leichtathletik-TrainerIn den Plural eher selten: „Diski“ heißt es nicht, sondern einfach „Diskusse“ oder tatsächlich „Disken“ (hat das wirklich schon mal jemand benutzt?). Und am allerblödesten wäre es bei Bussen: nein, nicht „Bi“, sondern „Busse“, also wieder eine deutsche Endung.

zwei volle Espresso-Tassen

Und zum Schluss noch mal was Italienisches, eine beliebte Frage: heißt es „due espressi“ oder was? Also, wenn man in Italien einen Espresso bestellen will: „due caffè, per favore!“ Allerdings muss man aufpassen, dass man nicht in einer deutschen Touristenhochburg bestellt; dann kann es einem passieren, dass man einen deutschen Filterkaffee serviert bekommt. Und in Deutschland kann man einfach „zwei Espresso“ bestellen.

Zusammen oder getrennt?

Diese Frage bekommt man im Restaurant immer wieder gestellt. Auch hier ist die Antwort nicht immer einfach und kann zu interkulturellem Erstaunen führen: „Die haben die ganze Zeit geturtelt, und jetzt zahlen sie getrennt?“ fragte mich mal ein armenischer Freund ungläubig.

Hier soll es aber um die Schreibung gehen: wann schreibt man Wortzusammensetzungen zusammen und wann getrennt? Vor der Rechtschreibreform war das einfach, nach der ersten Reform folgte die große Verunsicherung, und nach der Reform der Reform ist das Ergebnis ein umfangreiches Regelwerk, das ein Studium ähnlich der Jurisprudenz eigentlich zwingend voraussetzt (siehe Duden Regel D47 – D66 mit vielen Unterpunkten und Ausnahmen).

Eine Faustregel kann man schon mal anwenden: wenn der erste Bestandteil betont wird, wird zusammengeschrieben. „Alleinstehend“ zum Beispiel wird nach der zweiten Reform vernünftigerweise jetzt wieder zusammengeschrieben – wie eine Freundin damals witzelte: „eine allein stehende Frau ist eine Frau, die nicht umfällt, wenn man sie loslässt“. Wie ihr seht: auch „vernünftigerweise“ wird dankenswerterweise nicht mehr „vernünftiger Weise“ geschrieben. Und „zusammenschreiben“ (eine Zusammenfassung schreiben) bedeutet etwas anderes als „lasst uns ein Theaterstück zusammen schreiben“ (Betonung auf „schreiben“). Oder, schwieriger: „wiedersehen“ oder „wieder sehen“? Meistens wird es ja zusammengeschrieben (!) (so wie bei „Auf Wiedersehen“, wo das Verb zu einem Nomen wird): „Können wir uns wiedersehen?“ Aber seltener braucht man es auch frei nach Amazing Grace: „Ich war blind, aber jetzt kann ich wieder sehen“. Alles weitere (Weitere? ;-)) könnt ihr im Duden nachlesen (siehe oben).

Es gibt übrigens ein schönes Lied zum Thema „Zusammen oder getrennt“ von Corinne Douarre, womit wir wieder den Bogen zum Beginn des Textes geschlagen hätten …

Der Rest ist Schweigen

„Schweigen“ – ein Wort, das nur noch selten benutzt wird, und in gesprochener Sprache schon gar nicht. Dabei ist es so besonders.

Ich weiß noch, wie ich es kennengelernt habe. „,Du bist aber, wenn mich nicht alles täuscht, auf dem besten Weg dazu‘, sagte Abraxas. Dann schwieg er. Die kleine Hexe schwieg auch.“ „Papi, was bedeutet ‚schwieg‘“? „Nichts sagen. Schweigen.“

So lernte ich nebenbei noch etwas über starke (bzw. unregelmäßige) Verben, ohne den Begriff zu kennen. Und nun? Gibt es noch andere Verben, die genauso konjugiert werden? „Schweigen, schwieg, geschwiegen“ – „geigen, gieg, gegiegen“ oder „neigen, nieg, geniegen“ – nein, verflixt, da wird die Vergangenheit einfach mit „-te“ bzw. „-t“ am Ende gebildet, es sind also schwache (regelmäßige) Verben. Aber halt: „steigen, stieg, gestiegen“ – da passt es wieder.  Warum mal so, mal so? Warum – das ist eine Frage, die mir meine Schülerinnen immer wieder stellen und die in der Sprache oft nicht leicht zu beantworten ist. Meist sage ich einfach: „Das hat mit der Geschichte der Sprache zu tun“, und damit geben sie sich zufrieden und damit, dass sie es halt auswendig lernen müssen.

Aber es gibt ja noch „Feigen“ – ach nein, das ist ja der Plural von „Feige“, einem Substantiv. Und „Reigen“ ist auch kein Verb.

Das Beste aber zum Schluss: „zeigen“! „Zeigen, zieg, geziegen“ – habt ihr da nicht auch gleich gehörnte Weidetiere vor Augen und ihr Meckern in den Ohren? Wäre das nicht viel schöner so als „zeigte, gezeigt“?

Um auf die kleine Hexe zurückzukommen: „.. sagte Abraxas. Dann schwieg er. Die kleine Hexe schwieg auch.“  Die vielen x-e! Woher kommen die eigentlich? Im Niederländischen schreibt man „heks“, und so wird es ja auch ausgesprochen. Aber das ist ein anderes Thema.

So, genug geschrieben. Jetzt wird geschwiegen.

Thema heute: Thesaurus

Eigentlich sollte dies hier eine Kurzfolge für unseren Podcast werden, aber dafür hat es sich dann doch nicht geeignet. Die Struktur mit den Fragen ist aber geblieben.

Worum geht es?

Jedenfalls nicht um ein urzeitliches Riesentier, das ein englisches Heißgetränk zu sich nimmt – Tee-Saurus. Nein! Das Wort hat verschiedene Bedeutungen, die allerdings ähnlich sind – für unsere Zwecke geht es, in der Duden-Definition, um ein „allgemeinsprachliches Wörterbuch der sinn- und sachverwandten Wörter“.

Ein Beispiel

Ich schreibe einen Text über das Substantiv „Thesaurus“. Aber ich will mich nicht dauernd wiederholen, also schlage ich in demselben nach und finde: „Lehrwerk, Schulbuch, Fibel, Fachbuch, Sachbuch, Vademecum, Abriss, Handreichung, Repetitorium, Katechismus, Glossar, Leitfaden, Handbuch, Unterrichtswerk, Übungsbuch, Kompendium, Lexikon, Ratgeber, …, Wörterbuch, Enzyklopädie, Nachschlagewerk, …, Konversationslexikon.“ Man merkt: das sind nicht nur Synonyme, sondern eben auch sinnverwandte Wörter, und dann probiert man es mit Ersetzen. Das kann sehr lustig sein, wenn der Zusammenhang überhaupt nicht passt, oder auch nervtötend, wenn gar nichts passen will. Manchmal klappt es dann auch, aber manchmal muss man auch den ganzen Satz umformulieren.

Zum Beispiel: Dr. Müller-Ebenholz hatte alles versucht. Nun gab er sein Vorhaben auf. Das Wort „aufgeben“ finde ich aber langweilig, also setze ich ein: Nun ließ er von seinem Vorhaben ab. Klingt, als habe sich ein Hund hineinverbissen. Oder: Nun trug er es zu Grabe. Zu dramatisch. Nun pfiff er auf dem letzten Loch. Zu komisch. Nun verzichtete er … schon besser. Und so weiter, bis es rund klingt.

Wie packe ich es an?

Anpacken – das ist das richtige Wort! Es ist ein großes Vergnügen, einen dicken Thesaurus in die Hand zu nehmen und darin herumzublättern, auf der Suche nach dem passenden Ausdruck. Für kreative Prokrastinierer ist es ideal: man findet Wörter, nach denen man gar nicht gesucht hat, die man einfach nur schön findet oder um die herum man eine Geschichte bauen kann, woran man ursprünglich überhaupt nicht gedacht hatte. Seit Urzeiten arbeite ich mit „Sag es treffender“ von A.M.Textor, inzwischen in der xten Auflage (Foto von einer älteren Ausgabe 1968 (Neuauflage 1974)), aber natürlich gibt es auch den 8. Duden-Band, und Hinweise auf andere Synonymwörterbücher sind willkommen.

Buchcover "Sag es treffender"

Natürlich kann man auch Thesauri im Internet bemühen; das ist vermutlich die effektivere Art, mit Synonymen zu arbeiten. Es geht jedenfalls in der Regel schneller. Ein Beispiel dafür ist der Open Thesaurus. Man muss sich nur dessen bewusst sein, dass, wenn jeder mitmachen kann, das zwar demokratisch ist, es aber keine Garantie für die Richtigkeit gibt wie bei einem redigierten Lexikon. Das heißt, man ist in stärkerem Maße auf sein eigenes Sprachgefühl angewiesen. Im Grunde kommt es darauf an, was man gerade möchte und wieviel Zeit man hat bzw. sich dafür nehmen will.

Fazit

Das Beste aus beiden Welten, der realen und der virtuellen, findet sich im Bücherregal und im Computer. Sucht es euch aus und genießt es, dass ihr die Möglichkeit habt, zu wählen, euch aber nicht entscheiden zu müssen. Beim Schreiben muss man sich am Ende natürlich doch entscheiden, aber dann hat man schon eine Menge durchprobiert und Spaß dabei gehabt.